Keine Angst, wenn der Berg ruft!

Oder doch?

Kletterin am Berg Foto: AlexSava – istockphoto.com

Hektische Atemzüge, ein beklemmendes Gefühl im Bauch, der ganze Körper angespannt und verkrampft: Diese Symptome hat wahrscheinlich jede*r schon einmal gespürt. Sie können auftreten, wenn wir starke Angst empfinden. Ist Angst also generell ein schlechter Begleiter am Berg? Wie so oft ist die Dosis entscheidend.

Gute Vorbereitung kann helfen

Am Berg ist gute Vorbereitung alles! Sie ist wichtig, um mögliche Risiken einer Unternehmung abzuwägen und zu minimieren. Sollte man dennoch in eine gefährliche Situation kommen, hat man dadurch bereits gut vorgesorgt. Anspannung und eine gewisse Angst sind dabei nicht grundsätzlich hinderlich. Befinden wir uns in einer Situation, in der konkretes Handeln gefragt ist – zum Beispiel inmitten einer anspruchsvollen Kletterpassage –, ist ein gewisses Aktivationsniveau wichtig, damit wir konzentriert bleiben. Das richtige Aktivationsniveau im Bergsport ist gar nicht so leicht zu definieren, da sowohl konditionelle als auch koordinative Fähigkeiten gebraucht werden.
Wenn die Angst jedoch überhandnimmt und sogar in einer Panikattacke mündet, kann dies in einer Gefahrensituation hinderlich sein und die Sicherheit am Berg beeinflussen. Verschiedene Atemtechniken können beispielsweise dabei helfen, sich zu beruhigen, sodass die Kontrolle in dieser Situation zurückerlangt wird.

Realangst, Sturzangst und Höhenangst

Klettersturz Foto: scotto72/istockphoto.com

Ein Unwetter zieht plötzlich auf, und es fängt an zu regnen, sodass die Sicht schlecht, der Boden schwammig und glitschig wird. Dass wir hierbei Angst empfinden, entspringt einer tatsächlichen, konkreten Bedrohung. In der Psychologie spricht man hier auch von einer Realangst. Obwohl solche Ereignisse unerwartet auftreten, können wir uns auf sie vorbereiten. Mit dem geeigneten Equipment und einem zuvor einstudierten Verhalten bei Unwettern minimieren Bergkletterer das Risiko und damit das Auftreten von Angstzuständen.

In Kletterkreisen stolpert man oft über das Phänomen der Sturzangst. Lässt sich Sturzangst beim Klettern überwinden? Eine Möglichkeit, sie abzubauen, besteht in der vorbereitenden systematischen Desensibilisierung durch wiederholtes kontrolliertes Fallen und Stürzen. Die Sturzangst wird dabei in kleinen Schritten abgebaut, indem man den Schwierigkeitsgrad der Stürze kontinuierlich steigert. Weitere Infos zum Umgang mit Sturzangst und wie ein Fall- und Sturztraining ablaufen sollte, gibt es in der DAV Broschüre „Sicherungstraining Update“ Update Sicherheitstraining-Broschuere.pdf [2,5 MB] .

Bei der Höhenangst (Akrophobie) handelt es sich um eine Phobie, die ganz verschiedene Ursachen haben kann. In den meisten Fällen ist sie der Situation gegenüber unangemessen, da durch die bloße Höhe ja eigentlich keine verstärkte Gefahr besteht. Für Betroffene ist es jedoch kein Trost, dass sie dabei – objektiv gesehen – überreagieren: Motorische Blockaden, Hektik oder gar Panik und wilder Aktionismus können im Steig nicht nur das eigene Wohl, sondern die gesamte Gruppe gefährden.

Die Komfortzone verlassen, ohne sich in Gefahr zu begeben

Hílfestellung beim Mountainbiken Foto: Jubi Archiv

Gruppenleiter*innen auf Bergtouren sind in Extremsituationen besonders gefordert. Sie müssen nicht nur auf sich achten, sondern auch die Gruppe gut kennen und im Blick haben. Das Thema Angst ist dabei nicht zu unterschätzen. Aber es gibt eine gute Nachricht: Der Umgang mit Angst und die richtige Einschätzung der eigenen Kompetenz können gelernt werden.
Um die Teilnehmenden zu schulen, bietet sich das Komfortzonenmodell an. Hier werden drei Zonen definiert: die Komfortzone, die Lernzone und die Gefahrenzone. Das Grundprinzip: Jeder Mensch hat seinen persönlichen Komfortbereich, in dem er auf Routinen zurückgreifen kann und sich seiner Stärken und Fähigkeiten sicher ist. Außerhalb dieser Komfortzone beginnt das Unbekannte, dem wir zumeist skeptisch gegenüberstehen. Um zu lernen und sich weiterzuentwickeln, ist es wichtig, dass wir unsere Komfortzone ab und zu verlassen, ohne in der Gefahrenzone zu landen. Die Übungen sollten also gut geplant werden, damit die Teilnehmenden in der Lernzone die Möglichkeit haben, wertvolle neue Erfahrungen zu sammeln. Dadurch werden neue Verhaltensweisen gelernt, die der ganzen Gruppe helfen, sich sicher und unterstützend am Berg zu bewegen. Die genaue Gestaltung der Übung hängt immer von den Teilnehmenden ab.
Wichtig: Als Gruppenleiter*in bist du dafür verantwortlich, dass diese Übung für alle Teilnehmenden eine Lernerfahrung wird und das Risiko vertretbar ist. Taste dich also genauso voran wie deine Teilnehmer*innen und hole dir im Zweifelsfall Tipps von erfahrenen Gruppenleiter*innen.

Wenn Angst krank macht

Sollte jedoch die individuelle Angst so stark ausgeprägt sein, dass diese pathologisch (also krankhaft) ist, spricht man von einer Angststörung. In diesem Fall sollte frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, z. B. durch die*den Hausärzt*in.
Über den folgenden Link erhalten Betroffene und deren Angehörige wertvolle Informationen und direkte Kontakte zu Expert*innen rund um das Thema Angststörungen: https://www.aok-bv.de/presse/medienservice/ratgeber/index_17586.html