Essstörungen

Sie können jeden treffen

Apfel im Spiegel Foto: iStock.com/LuisPortugal

Meist beginnen sie mit einer Diät und dem Verzicht auf kalorienreiche Lebensmittel und enden mit exzessivem Sport und/oder dem Gebrauch von Abführmitteln: Dabei sind Essstörungen ernstzunehmende Erkrankungen, deren Zahl besonders bei Jugendlichen in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist.

Die gute Nachricht: Es gibt eine Chance auf Heilung dank eines umfangreichen Therapieangebotes in Deutschland. Am Anfang steht jedoch der Mut der Betroffenen, ihre Erkrankung zu erkennen.

Welche Krankheitsbilder gibt es und was könnten die Ursachen sein?

Unter dem Begriff „Essstörungen“ werden verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst: Magersucht (Anorexia nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) oder Ess-Attacken, die zu Übergewicht führen können (Binge Eating), dazu Mischformen. Die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Erkrankungen: Die Nahrungsaufnahme ist zum Problem geworden.

Als Ursachen für Essstörungen werden geringes Selbstwertgefühl, hoher Perfektionismus oder das Nacheifern eines medial vermittelten Schlankheitsideals angesehen. „Die Hintergründe für die Entstehung einer Essstörung sind vielfältig und individuell“, erläutert Carolin Martinovic, Leiterin der Beratungsstellen im Therapienetz Essstörung in München. „Mit Essen bzw. Nicht-Essen versuchen die Betroffenen oft, Gefühle zu regulieren.“ Essen helfe gegen Traurigkeit und Einsamkeit. Hunger vermittle ein Gefühl von Kontrolle. Erbrechen werde als „Lösung“ eingesetzt, um mit Druck umzugehen.

Auch im Sport ist ein riskantes Essverhalten keine Seltenheit mehr und birgt die Gefahr, in eine Essstörung abzurutschen. Getreu dem Motto „je leichter, desto besser“ erliegen Sportler*innen der Illusion, mit exzessiven Diäten ein erfolgversprechenderes „Kampfgewicht“ zu erreichen. Damit der Sport gesund bleibt und vor allem Spaß macht, gilt es auf sich selbst, aber auch auf andere zu achten.

Für eine erfolgreiche Behandlung sei es grundsätzlich entscheidend, die Ursache(n) zu kennen und so positiv zu verändern.

Hilfe anbieten Foto: iStock.com/AntonioGuillem

Betroffene unterstützen: Symptome erkennen, Hilfe anbieten

Auf ein problematisches Essverhalten weist in der Regel das Auftreten verschiedener Symptome hin. Eine Magersucht äußert sich beispielsweise unter anderem durch eine starke Gewichtsabnahme. Außerdem entspricht die Selbstwahrnehmung der Betroffenen nicht der Realität – sie empfinden sich trotz Untergewichts als zu dick, sind oft übertrieben sportlich aktiv. Weitere Merkmale für Magersucht, Anorexie und Binge Eating sowie wertvolle Informationen über Therapien und Anlaufstellen hat die AOK Bayern zusammengefasst, die einen Vertrag zur „besonderen Versorgung für Menschen mit Essstörungen“ mit verschiedenen Leistungserbringern geschlossen hat.

Besteht ein konkreter Verdacht, dass jemand im engeren Umfeld eine Essstörung entwickelt hat, rät Martinovic die betroffene Person zunächst allein und sehr behutsam anzusprechen. Hilfe durch Freund*innen oder Gruppenleiter*innen im Sportverein besteht dabei ausschließlich darin, Betroffene zu motivieren, eine professionelle Beratungsstelle aufzusuchen. Angebote wie „Ich koche für dich“ oder „Ich mache Sport mit dir“ sind mit Sicherheit gut gemeint, aber letztlich keine wirksame Hilfe für Erkrankte. Wenn die Betroffenen minderjährig seien, müsse nach einem Vieraugengespräch die Verantwortung an die Eltern abgegeben werden, so Martinovic. Praxisnahe Tipps für ein solches Vieraugengespräch und den Umgang mit Betroffenen hat das Therapienetz Essstörung sowohl für Jugendliche als auch Jugendleiter*innen übersichtlich zusammengestellt. Diese stehen unten zum Download zur Verfügung.

Essstörungen kennen keine Geschlechterpräferenz!

Wichtig ist Carolin Martinovic außerdem, darüber aufzuklären, dass eine Essstörung jeden treffen kann. Dabei hat sie die Vermutung, dass Jungen sich häufig nicht trauen, ihre Essstörung zuzugeben. „Essstörungen gelten leider immer noch als ‚Mädchenkrankheit‘, obwohl es keine Hinweise auf eine Geschlechterpräferenz gibt. Ich hoffe, dass durch die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema mehr männliche Betroffene die Möglichkeit professioneller Hilfe in Anspruch nehmen werden.“ Ihre Botschaft: „Traut euch heraus aus eurer Einsamkeit und wendet euch an uns. Wir nehmen eure Probleme ernst und helfen diskret und vertraulich, euren Weg aus der Krankheit zu finden!“

Entsprechende Kontaktstellen auch außerhalb Bayerns sind auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gelistet. Die Heilungschancen stehen gut. Gut 60 Prozent der Betroffenen können geheilt werden oder haben zumindest das problematische Verhalten dauerhaft unter Kontrolle. Weitere Zahlen, Daten und Fakten zum Nachlesen hat das Robert-Koch-Institut in der großen KiGGS-Jugendstudie zusammengefasst.