Organisatorisch können die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als schrittweiser Weg in die Eigenständigkeit der JDAV angesehen werden. Nach der Errichtung eines eigenen Unterausschusses für Jugendfragen 1955/1956 agierte dieser bereits vor der Erlangung einer tatsächlichen Eigenständigkeit 1975 zunehmend selbstverantwortlich.1 Durch den Beitritt der Jugend in den Bundesjugendring 1952 fanden erste staatspolitische Erziehungskonzepte ihren Weg in den DAV und sorgten in den 1960er Jahren für erste Debatten über eine Abkehr vom unpolitischen Vereinsverständnis. Obwohl zunächst auch die Jugendleitung ein politisches Engagement kritisch sah, war es letztlich sie, die eine Befürwortung desselben Mitte der 1960er in den Hauptausschuss trug. Aufgrund der parteilosen, demokratiefördernden Ausrichtung des Bundesjugendrings wurde es 1965 vom Hauptausschuss befürwortet, eine satzungsgemäße Anpassung erfolgte allerdings erst 1975.2
Bereits 1949 erhielt die Jugend eine eigene Rubrik in den Alpenvereinsmitteilungen und ab 1955 eine eigene Jugendzeitschrift, die "Jugend am Berg". Anhand dieser Publikationsorgane zeigt sich eindringlich, welche Werte den Jugendlichen vermittelt werden sollten. Dabei sind ideologische Kontinuitäten, die noch bis in die 1970er Jahre und zum Teil darüber hinaus Gültigkeit beanspruchten, ebenso wie erste Brüche mit dem Bergsteigerideal der vorangegangenen und zeitgenössischen Epoche unübersehbar. So bestand die kulturpessimistische Perspektive unverändert fort, wie aus der Bestimmung der erzieherischen Aufgabe 1949 deutlich wird:
"Der Alpenverein wirkt so durch seine Sektionen auf besondere Weise mit, die heutige Jugend aus der Verflachung unserer Zeit, aus den Trümmern der Großstädte und den Gefahren seichter Vergnügungen herauszuziehen und sie zur Natur und zu den Bergen als der höchsten Kraftquelle für die körperliche und seelische Gesundheit zu führen."3
Die Perspektive auf die moderne Gesellschaft beinhaltete grundsätzlich ein konstruiertes Horrorszenario, demzufolge der echte Mensch zugrunde gehen müsse, wenn er nicht alte, "echte Werte" verinnerlichen könnte. Allerdings verwahrten sich die Autoren, diese Werte auszuformulieren. Es wurde eine Verinnerlichung des Alpinismus eingefordert, die auf bloßen Empfindungen beruhte, und ein Zirkel von Auserwählten geschaffen, der die Angehörigen über den Rest der Menschheit erhebt, frei nach dem Motto: Wer nicht selbst in den Bergen gewesen ist, hat es nie gefühlt und kann es nicht verstehen.4 Dieses "mythisch erfahrbare[] Gemeinschaftsgefühl[]"5 wie auch die "Imagination eines heroischen Auserwähltseins"6 waren zwei Momente, die die Anschlussfähigkeit des Alpenvereins und seiner Mitglieder an den Nationalsozialismus begünstigten.
Quellen
1 Hauptausschuss, 13. Sitzung am 16. September 1955, 10; Hauptausschuß, 1. Sitzung am 21. und 22.1.1956, 4.; Hauptausschuß, 43. Sitzung am 1.12.1973, Beschlußprotokoll, 6; DAV-Satzung 1975, 5.
2 O. A.: Jahresbericht des Deutschen Alpenvereins 1956, in: MDAV 1957 152-159, 156.; Satzung 1975, 1.; Horst Länger: „Wenn ihr uns so nehmt wie wir sind“. Aspekte der Alpenvereinsjugend seit 1945, in: DAV (Hrsg.): Aufwärts! Berge, Bergsteiger und der Deutsche Alpenverein 1945 bis heute, München 2007, 242-251, 242-243.
3 Ackermann, H.: Die Jugend und der Alpenverein, in: Mitteilungen der Landesarbeitsgemeinschaft 1948, 8f., 8.
4 Langer, P. C.: "Ein langer und manchmal auch steiniger Weg". Der Deutsche Alpenverein im gesellschaftlichen Wandel: Kontinuitäten und Brüche nach 1945, in: DAV 2007, 68-75, 70-72; für Verinnerlichung und Romantik vgl. Zebhauser, H.: Bergsteigen - ein Weg der Seele, in: Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins (=MDAV) 1949, 77, sowie Zebhauser, H.: Bergsteigen - ein Zeitproblem, MDAV 1950, 136-138.
5 Langer 2007, 72.
6 Ebd.
7 O.A.: Aus den Richtlinien für die Arbeit im alpinen Jugendwesen, in: MDAV 1949, 23f., 23; Gramich, M.: Erleben und Erziehen, in: MDAV 1949, 65f., 66.
8 Ebd.
9 Kieser, H.: Erinnerung an einen Bergsommer, in: Jugend am Berg (=JaB) 1955, 51f., 52.
10 Voigt, U.: Wir jungen Bergsteiger, in: JaB 1955, 75f., 75.
11 Thoma, H.: Der Jugendleiter als Vorbild, in: JaB 1955, 93.
12 Angermayer, J.: Bergsteiger haben doch die stärksten Schutzengel, in: JaB 1955, 76-78; Hanischdörfer, F.: Sorgt für möglichst unfallfreie Bergfahrten!, in: JaB 1955, 86f.; Hoek, H.: Ein Wort von Henry Hoek, in: JaB 1955, 26; Strobel, J.: Selbstsicherung beim Abseilen. Eine Lehre aus einem alpinen Unfall, in: Jugend JaB 1956, 10-12.
13 Jonas, R.: Mit dem Arzt in den Bergen. Ein ärztlicher Ratgeber für Bergsteiger und Skiläufer, in: JaB 1956, 27-29, 27.
14 Hänert, T. / Reichenberger, M.: "... Frauen an die Spitze. Bergsteigerinnen und ihre Rolle im Deutschen Alpenverein 1945 bis heute, in: DAV 2007, 92-105, 93f.; Länger 2007, 245; Langer 2007
Autor
Autor "Epoche 3 - Gründung als Jugendverband": Maximilian Wagner