Aufbruch und Umbruch

Epoche 6

Expeditionsteam der Mädchenexpedition zum Arapi 2011 Foto: Expeditionsteam „Mädls zum Arapi“

"Voll im Trend"1, vielfältig und voller tiefgreifender struktureller Veränderungen: so in etwa ließen sich die letzten beiden Jahrzehnte der JDAV zusammenfassen. Die Mitgliederzahlen wuchsen kontinuierlich, das Kurswesen blühte und die eigenen Strukturen wurden immer weiter professionalisiert.

 

Im Zuge der DAV-Satzungsänderung 2004 wurde der*die Bundesjugendleiter*in als Vizepräsident*in in das DAV-Präsidium berufen, der*die stellvertretende Bundesjugendleiter*in sitzt seitdem dem Bundesjugendausschuss vor.2 2013 erhielt die Bundesjugendleitung ein Antragsrecht in der Hauptversammlung und die Mitglieder der Bundesjugendleitung sowie des Bundesjugendausschusses das Rederecht.3 Außerdem ist ein*e Vertreter*in der Bundesjugendleitung seitdem festes Mitglied im Verbandsrat.

Weiterhin beschloss die JDAV 2015 eine neue Bundesjugendordnung und eine neue Geschäftsordnung: seit 2016 bilden Bundesjugendleiterin und Bundesjugendleiter eine paritätische Doppelspitze und teilen sich die Aufgaben. Im gleichen Atemzug wurden alle amtierenden Beisitzer*innen der Bundesjugendleitung zu stellvertretenden Bundesjugendleiter*innen.4 2017 erfolgte dann eine Überarbeitung der hauptberuflichen Struktur und die Untergliederung der Geschäftsstelle in das Ressort Jugend und das Ressort Jugendbildungsstätte Bad Hindelang.5 Darüber hinaus wurde 2017 die neue Mustersektionsjugendordnung (MSJO) eingeführt.

Die Ausrichtung der JDAV in diesen beiden Jahrzehnten war dabei besonders von Vielfaltsgedanken und der Betonung gesellschaftspolitischer Positionen bestimmt, die als Ergänzung zur rein bergsportlichen Ausbildung die Bereitschaft der Jugendlichen, sich für Umweltbewusstsein, Geschlechtergerechtigkeit, Integration, Inklusion, etc. zu engagieren, fördern sollte.

Bei "No Limits" im Tandem unterwegs durch den winterlichen Wald Foto: Archiv Jubi

Für dieses Bestreben stehen zum einen die verschiedenen Projekte und Positionierungen. Bereits seit 2000 existiert das inklusive Projekt "No Limits", bei dem Teilnehmer*innen im Tandem-Prinzip, also eine Person mit und eine Person ohne Behinderung, gemeinsam Bergsport treiben. Die Angebote sollen dabei nicht Teilnahme-Angebote, sondern Teilhabe-Angebote sein, das heißt: "Menschen mit Behinderung sollen auch die Chance haben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen."6 Darüber hinaus erklärten JDAV und DAV, eine Inspirationsquelle für eine "Willkommenskultur für Menschen mit Behinderung"7 sein zu wollen, welche "die Vielfalt und Heterogenität als Bestandteil unserer Gesellschaft anerkennt und als Bereicherung erlebt."8

Knotenpunkt- Titelseite zum Thema Love me [Dschænda] In: Panorama 02/2011, 75

Diese Ausrichtung wird durch die Artikel des Magazins "Knotenpunkt" (bis 2006 "JDAV special") im Panorama deutlich. Neben historischen und kulturellen Themengebieten waren vor allem Bergsport, Naturschutz sowie emanzipatorische, inklusive und integrative Themen - zumeist ineinandergreifend - bestimmend. Das kritische Hinterfragen von Verhaltensweisen, Leistung, Marketing, Tourismus, Risikobereitschaft, Gruppendynamiken, etc. wurde in Comics, Interviews und Kurzartikeln für die verschiedenen Altersgruppen aufbereitet und Verweise auf eigene Projekte gegeben.9

Daneben stieß die JDAV bereits in den 2000ern internationale und integrative Projekte an, aus denen beispielsweise das Projekt "Alpine Jugend Hoch 4" oder das DAV-Projekt "Alpen.Leben.Menschen (A.L.M.)" entstanden.10 Im Zuge des immer deutlicher spürbaren Rechtsrucks der Gesellschaft verabschiedete der Bundesjugendleitertag 2015 die Resolution "Für Vielfalt in der JDAV", in der sich "für eine bunte und lebendige Gemeinschaft"11 und gegen "jede Form von Rassismus und Gewalt"12 ausgesprochen wird: "Wir heißen die geflüchteten Menschen willkommen und laden sie ein, an unserem Verein teilzuhaben."13

Gemütlich an der Isar Foto: JDAV/Simon Keller

Ein weiteres, bedeutendes Themenfeld war - neben Projekten gegen sexualisierte Gewalt14 - die Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter bzw. Gender-Mainstreaming. Letzteres wurde 2005 in die Erziehungs- und Bildungsziele der JDAV aufgenommen.15 Neben zahlreichen Artikeln im Knotenpunkt16 wurde auf dem Bundesjugendleitertag 2013 beschlossen, sich zum "Ziel der Geschlechtergerechtigkeit, insbesondere zu einem langfristig ausgewogenen Geschlechterverhältnis in den Gremien der JDAV [zu bekennen]"17. Die JDAV-Struktur-Gruppe wurde damit beauftragt, "bei einer Überarbeitung der Jugendordnung die Gleichstellung der Geschlechter in den politischen Gremien auf Bundesebene auf geeignete Art und Weise zu gewährleisten."18 2017 wurde die Projektgruppe "Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit" ins Leben gerufen und die gesellschaftliche Geschlechterordnung reflektiert und kritisch betrachtet.19

Aus der Maxime "Jede*r ist es wert, geschätzt zu werden"20 wurden Handlungsfelder abgeleitet, darunter: Stellungbeziehen "gegen Diskriminierung und Sexismus"21, Sensibilisierung der Jugendleiter*innen hinsichtlich des Themas "sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in unseren Bildungsangeboten"22, Reflektieren von "geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen"23 und Bestärken der Kinder und Jugendlichen auf ihrem Weg, Respektieren von Selbstbezeichnungen, geschlechtergerechte Sprache mit Genderstern, Anstoßen von Debatten innerhalb des eigenen Verbands, etc. In Folge dessen bot die JDAV 2019 erstmals auch ein eigenes LGBTQ*-Wochenende unter dem Titel "Queerfeldein" an.24

Mädchenexpedition zum Arapi 2011 Foto: Expeditionsteam „Mädls zum Arapi“

Darüber hinaus nahm natürlich der Naturschutz - wie bereits in den vorangegangen Jahrzehnten - eine zentrale Rolle ein. Neben Projekten wie "Trinational" oder "create new limits" setzte die erste JDAV-Mädchenexpedition 2011 die Vorstellung soziokultureller Expeditionen aus den 1990er Jahren im neuen Jahrtausend fort.25 Selbiges lässt sich für das selbstbewusste und erfolgreiche Auftreten der JDAV auf den DAV-Hauptversammlungen konstatieren: Die Aussprache gegen eine Olympiabewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 oder gegen ein Sponsoring des DAV durch Automobilhersteller fand Gehör und prägte die finalen Beschlüsse.26

Die JDAV entwickelte sich damit seit der Jahrtausendwende zunehmend zu einem eigenständigen Jugendverband innerhalb des DAV, dessen Positionen und vielfältigen Projekte die Ausrichtung des Gesamtvereins nicht nur nachhaltig beeinflussten, sondern auch maßgeblich mitbestimmten.

Quellen

1 Jahresbericht des DAV 2007, 59.

2 Jahresbericht des DAV 2003, 38.

3 Protokoll der Hauptversammlung 2013 in Neu-Ulm. Arbeitstagung 8. / 9. November 2013, (§24.10 der Satzung des DAV), 26.

4 Beschluss 1_2015 Bundesjugendordnung der JDAV, 8f.

5 Jahresbericht des DAV 2018, 48.

6 ebd.

7 Positionspapier des Deutschen Alpenvereins (DAV) und der Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV): Inklusion leben! Menschen mit und ohne Behinderung treiben gemeinsam und gleichberechtigt, 2014, 2.

8 ebd.

9 Vgl. bspw. Industriegebiet Alpen, in: Panorama 01/2018, 65-74; Kultur, in: Panorama 06/2012, 65-72; Love me [Dschænda]. Wie Frauen und Männer am Berg zu ihrem Recht kommen, in: Panorama 02/2011, 75-84; Stuke, J.: Check your risk. Ein lawinenartiger Erfolg, in: Panorama 06/2008, 54f.; Tod am Berg, in: Panorama 01/2017, 63-70.

10 Vgl. bspw. Jahresbericht des DAV 2000, 43; Jahresbericht des DAV 2007, 59; Jahresbericht des DAV 2016, 45; Metz, S.: Bergheimat für Alle. A.L.M. - Gemeinsam auf Tour, in: Panorama 02/2018, 73f.

11 Beschluss des BJLT 2015 in Tübingen. Für Vielfalt in der JDAV. Beschlossen vom Bundesjugendleitertag der Jugend des Deutschen Alpenverein am 27.09.2015 in Tübingen.

12 Ebd.

13 Ebd.

14 Vgl. v.a. Jahresbericht des DAV 2011, 40; Broschüre: Sexualisierte Gewalt: Nicht mit mir! Prävention in JDAV und DAV, Neuried 20182.

15 Jahresbericht des DAV 2005, 41.

16 Vgl. bspw. Kempert, R.: Wofür steht der *? Geschlechtergerechtigkeit im Knotenpunkt, in: Panorama 04/2016, 67; Love me [Dschænda], Anm. 8; Stahl, S.: Sexismus am Berg. Die Männer am Berg, die Frauen im Tal, in: Panorama 06/2015, 71.

17 Beschluss des BJLT 2013 in Köln. Geschlechtergerechtigkeit. Beschlossen vom Bundesjugendleitertag der Jugend des Deutschen Alpenvereins am 27.10.2013 in der Sporthochschule Köln.

18 Ebd.

19 Jahresbericht des DAV 2018, 48.

20 JDAV Positionspapier. Für eine geschlechtergerechte Gesellschaft! Verabschiedet auf der Sitzung des Bundesjugendausschuss am 09.06.2018 in Fulda.

21 Ebd.

22 Ebd.

23 Ebd.

24 Queerfeldein - die neue JDAV Veranstaltung für LGBTQ*-Jugendliche, in: https://www.jdav.de/mitmachen/queerfeldein-die-neue-jdav-veranstaltung-fuer-lgbtq-jugendliche_aid_31918.html (zuletzt besucht am 28.01.2019).

25 Jahresbericht des DAV 2011, 41.

26 Hauptversammlung 2013, 40; Protokoll der Hauptversammlung 2015 in Hamburg Arbeitstagung 13. / 14. November 2015 (§24.10 der Satzung des DAV), 18f.

 

Autor

  • Autor: "Epoche 6 - Aufbruch und Umbruch": Maximilian Wagner