Folge 05 - Geschichte erleben - Die JDAV im Alpinen Museum
Von progressiven Positionen und historischen Momenten im Bergsport
09.07.2024, 11:08 Uhr
In dieser spannenden Episode des JDAV-Podcasts „Im Jugendraum“ nehmen euch Raoul und Ella mit auf eine faszinierende Reise durch das Alpine Museum in München. Gemeinsam mit Max Wagner, einem Historiker und Mitarbeiter des Alpinen Museums, erkunden sie die neue Dauerausstellung „Darum Berge“. Erfahrt mehr über die Geschichte des JDAV, die prägenden Ereignisse und die progressiven Positionen, die den Verband über die Jahre hinweg geformt haben. Von der Grenzstreifenbesetzung in den 80ern bis zu den modernen Vielfaltsproklamationen – diese Folge bietet dir tiefgehende Einblicke in die Vergangenheit und Gegenwart der JDAV.
Jetzt reinhören in die fünfte Folge des JDAV-Podcasts!
Transkript der Folge 05
Raoul: Hallo, zu einer neuen Folge vom Podcast der JDAV „Im Jugendraum“ zwischen kennt ihr uns beide ja ein bisschen schon mich, Raoul.
Ella: Und mich, Ella.
Raoul: Und das ist der Podcast. Nehmen wir über Bergsteiger*innen, Naturschützer*innen, JDAVler*innen und alle Themen, die so bisschen um die Welt der JDAV Kreisen sprechen wollen.
Ella: Ich freue mich total auf die heutige Folge. Wir heute. Einem sehr geschichtsträchtigen Ort sind und viele Dinge tatsächlich direkt zum Anschauen haben. Wir saßen heute schon in einem der wohl kleinsten JDAV Jugendhäuser Deutschlands, haben uns Berichte angeschaut von unterschiedlichen JDAV Gruppen aus unterschiedlichen Jahrzehnten und wir haben ziemlich unkonventionelle Bergbilder gesehen, aber dazu später noch mal. Ja.
Raoul: Vielleicht manche erraten es schon. Wir sind heute in München, wir sind im Alpinen Museum, das ist ein Ort, der seit März wiedereröffnet wurde, und zwar, das ist das Museum des Deutschen Alpen Vereins, und wir besuchen mit euch zusammen heute die Ausstellung, „Darum Berge“, das ist die neue Dauererstellung des Alpinen Museums.
Ella: Und heute in der Folge wollen wir uns eben also mit unserer Geschichte als Jugendverband auseinandersetzen, dabei aber vorneweg, wir werden es nicht voll umfänglich machen und auch nicht chronologisch, dafür bräuchten wir nämlich 10 Folgen, und wahrscheinlich werden wir uns auch in Zukunft immer wieder Zeit nehmen für Blicke in unsere Vergangenheit als Verband.
Raoul: Aber heute geht es vor allem in einen kleinen Spaziergang in die Dauerausstellung, in der wir Highlights unserer jetzt inzwischen über hundertjährigen Geschichte JDAV erzählen wollen.
Ella: Und bei unserem Spaziergang heute dürfen wir Max Wagner, begleiten. Der arbeitet beim Alpinen Museum und hat auch die neue Dauerausstellung erarbeitet. Max, kannst du uns als Einstieg mal erzählen? Ganz kurz, was ist denn das Alpine Museum überhaupt?
Max: Das Alpine Museum ist in erster Linie im Gebäude, das auf der Praterinsel ist, das sehr Zentrale, in München liegt. Das ist auch schon sehr, sehr lange, gibt das Museum, glaube ich, hat es zum ersten Mal 1911 aufgemacht, genau, wir hatten jetzt 3 Jahre geschlossen. Haben Anfang 2024 wieder aufgemacht mit der neuen Dauerausstellung, von der du schon gesprochen hast. Das Alpine Museum gehört dem DAV ist an den DAV angegliedert und wird vom Kulturbereich bearbeitet oder wird vom Kulturbereich gestaltet, was beim Alpine Museum vielleicht auch wichtig ist, ist, dass das Alpine Museum als Teil des DAV nicht nur irgendwie der Kulturbereich bearbeitet und nicht nur der Kulturbereich gestaltet, sondern dass er genauso Sektionen aktiv sind, dass der gesamte DAV sich hier einbringt und natürlich, dass die JDAV vor sich hier auch einbringt, das ist auch ein Haus, das der JDAV mitgehört und dass die JDAV bitte mitgestalten soll.
Ella: Ja, das die JDAV mitgestalten soll ist schon ein tolles Stichwort. Bei der Konzeption von der neuen Ausstellung war die JDAV ja tatsächlich auch beteiligt. Warum war euch das denn wichtig, dass die JDAV da vertreten ist? Und wie lief denn die Zusammenarbeit da ab?
Max: Ja, uns vom Museum war es wichtig, dass die JDAV sich in der Dauerausstellung ebenso vertreten fühlt wie die DRVler*innen und Bergsportler*innen überhaupt. Deswegen haben wir mit der JDAV Leitung zusammen beschlossen, mit allen Interessierten der JDAV und einen Workshop zusammen zu veranstalten zur Dauerausstellung, das war dann Ende Juli in Hindelang. Und wir wollten, dass die JDAV eben zwei Bereiche der Dauerausstellung mit uns zusammen gestaltet. Einfach, dass die JDAV ihre Positionen einbringen kann, dass die JDAV auch ne gewisse Sichtbarkeit hat und dass die JDAV eben, wie schon gesagt, begreift, dass das auch ihr Haus.
Raoul: Wenn man jetzt so die ersten Schritte in die Ausstellung reingeht, dann sieht man ja, dass ihr euch sehr intensiv mit der Geschichte des DAV, aber auch der JDAV beschäftigt habt. Sag mal, du als Historiker, wie schaust du auf die Geschichte der JDAV? Ist für dich das Besondere an der JDAV Geschichte?
Max: Wir versuchen in der Ausstellung irgendwie die Perspektive von allen Personen, die in die Berge gehen, zu berücksichtigen. Jugendliche waren schon im 19. Jahrhundert mit in den Bergen unterwegs, natürlich nicht selbständig, sondern eher als Anhängsel. Es gibt im Alpenverein ab 1918 / 19 gibt es Jugendarbeit, also organisierte Jugendarbeit. Wird natürlich prägen die alpine Vorstellungen, natürlich prägen die auch die Diskussionen und den Diskurs darüber, warum Menschen in die Berge gehen. Und natürlich hat die JDAV den Deutschen Alpenverein sehr, sehr geprägt. Ich hoffe der DAV verzeiht mir die Antwort, aber für mich ist die JDAV auch so der Progressivste Teil des Alpenvereins. Weil die meisten gravierenden Veränderungen und Perspektivenwechsel eben aus der JDAV raus in den Verein getragen worden sind.
Ella: Hast du an der Stelle mal n Beispiel um das so greifbar zu machen, wo in der Vergangenheit schon mal so ne progressive Position aus der JDAV in den DAV getragen wurde?
Max: Nur wir können ein Beispiel nehmen. Das ist die Grenzstreifenbesetzung der JDAV, also eine ein Grenzstreifen zwischen der BRD und der DDR, der für ich glaub 3 Tage besetzt worden ist, um gegen Atomkraft in Ost und West zu demonstrieren. Die Grenzstreifenbesetzung stand im Kontext der Atomkatastrophe, Tschernobyls und der Proteste gegen Atomkraft, die in der Folge Anfahrt gewannen und eben zum Teil heftig niedergeschlagen wurden an Vertreter*innen der JDAV Nord wollten damals ein Zeichen setzen, das würde ich sagen ist definitiv auch gelungen. Der Alpenverein und besonders sein Präsidium waren damals äußerst konservativ eingestellt. Proteste vor allem wo diese politisch waren, lehnte man zutiefst ab. Die Alpenvereinsposition beispielsweise nach Tschernobyl war, dass sich der Alpenverein gegen Atomkraft in den Alpen ausspricht. Das seit Tschernobyl aber eigentlich klar war, dass Atomkraft in der damaligen Sowjetunion auch direkte Folgen auf den Aufenthalt in den Alpen hat, hatte zum Beispiel keine Auswirkungen auf diese Position. Um es kurz zu halten, der DAV war entrüstet über die Aktion der JDAVler*innen, verurteilte diese Aktion öffentlich, entschuldigte sich bei der Politik und verlangte von den Besetzer*innen öffentlich Reue zu zeigen, wann man sie sonst aus dem Verein ausschließen würde. Interessant ist, dass die alpin Presse auf der Seite der JDAVler*innen stand das auch als sehr progressiv wahrgenommen hat und deren Position sehr weit verbreitet hat und dass nicht wenige Alpenvereinsmitglieder sich mit den Jugendlichen solidarisiert haben und aus Protest aus dem Verein ausgetreten sind. Und insofern ist diese Aktion eigentlich ein sehr, sehr gutes Beispiel für das, was ich eben vorhin gemeint hab. Die JDAV sorgt für Veränderungen und Perspektivenwechsel, wenn das so n Ökosystem n zusammenhängendes ist und Atomkraft, ob in den Alpen oder in der Ukraine, Auswirkungen über Grenzen hinweg hat, das hat die JDAV im Verein groß gemacht.
Ella: Und in unserem Spaziergang durch die Ausstellung stehen wir ja jetzt tatsächlich auch vor dem Abschnitt, vor dem Ausstellungsstück zur Grenzstreifenbesetzung kannst du uns mal kurz erklären, was wir denn hier sehen?
Max: Einerseits sind wir hier auf Holztafeln, Fotografien von der damaligen Besetzung, die uns auch die damaligen Besetzer*innen gegeben haben zum Ausstellen, andererseits haben wir hier noch 2 Hefte. Das eine Heft ist die Dokumentation, die die Besetzer*innen herausgegeben haben über das, was sie damals gemacht haben, über ihr Flugblatt, das sie damals verteilt haben, über das, wie sie das Ganze wahrgenommen haben, und auch über das, was der DAV ihnen gegenüber an Positionen vertreten hat und wie der DAV mit ihnen umgegangen ist. Gleichzeitig sieht man in der Dokumentation natürlich auch, was die AlpinPresse dazu gesagt hat, und man kann in der Dokumentation auch ein bisschen sehen, wie die Jugendbewegung in den Achtzigern unterwegs gewesen ist, weil das Heft sehr, sehr zeitgemäß aus der Anti Atomkraft Bewegung gestaltet ist.
Raoul: Lass mal weitergehen in der Ausstellung und ich versuch es mal zu beschreiben. Wir stehen gerade vor einer großen Wand mit einem historischen Gemälde, wo ein Bergsportler zu sehen ist, der relativ athletisch in die Weite schaut. Daneben sind relativ viele Bilder, die in einer Zusammenarbeit mit der JDAV entstanden sind, ganz unterschiedlich, aber auch mit Bergsportler*innen, die unterschiedlich dargestellt werden. Wie ist es denn zu diesem Ausstellungsobjekt gekommen?
Max: Also ist bei der Ausstattung einerseits wichtig, natürlich zu zeigen, warum Leute in die Berge gehen und auch zu zeigen, dass die Motive historisch verankert sind und dass sie sich verändern. Gleichzeitig sind sie zeithistorisch geprägt und wir haben natürlich nicht nur den Auftrag, hier jetzt halt einfach zu zeigen, was gewesen ist, sondern irgendwie auch ein bisschen Fragen anhand dieser Objekte, die wir zeigen können oder Hand der Themen, die wir gesetzt haben, zu stellen, so fern, wir haben es immer so ein bisschen Bruchkapitel oder Reflektionskapitel genannt, haben wir immer wieder Bereiche in der Ausstellung, die eben zur Reflexion auch anregen sollen. Ganz konkret haben wir das natürlich auch mit der JDAV gemacht in den 2 Bereichen. Das eine ist zum Thema Körperideale. Wir haben ein Gemälde in der Sammlung von Alfons Walde, das heißt im Aufstieg, es ist n wahnsinnig prominentes Gemälde, es ist auch ein wahnsinnig wertvolles Gemälde und wir sind vor der Ausstellungseröffnung während der Konzeption sehr oft gefragt worden, ob wir diese, ob wir dieses Gemälde dann auch zeigen würden. Nun ist dieses Gemälde, wie wir hier sehen, von 1930 hat eine gewisse Bildersprache, es ist eine Person, ein Skifahrer im Vordergrund, der ist sehr muskulös, aufgeknöpftes Hemd, Körperhaltung nach vorne und kein Gesicht. Augen, Nase, Mund fehlen. Es ist Entindividualisiert ist ne zeitgemäße Bildersprache für uns n bisschen schwierig, also wir hatten n bisschen Probleme mit dieser Bildersprachen, wollten wissen was die JDAV dazu sagt, gemeinsam mit der JDAV oder den Beteiligten dieses Workshops in der Jubi haben wir uns entschlossen, über Körperideale und Körpernormen zu sprechen und inwieweit Bilder von Bergsteigern, in diesem Fall Bergsteigern, auch das Bild prägen, wie wir am Berg auszusehen haben oder wie unser Körper gebaut sein muss, damit wir bestimmte Erlebnisse am Berg haben können. Gerade heutzutage würde ich sagen, was wir über Social Media mitbekommen, inwieweit dort Bilder und Körperideale propagiert werden und inwieweit Jugendliche damit auch wirklich Probleme haben, weil sie sich gezwungen fühlen, diesen Körperidealen gerecht zu werden, haben wir gemeint, lass das mal kritisch hinterfrage und lass zeigen, dass die Realität am Berg einfach eine andere ist. Es sind nicht nur 20 bis dreißigjährige, die vollkommen durchtrainiert sind und dort irgendwie ihre Touren machen, so wie wir das eben heute auf Social Media allerdings trotzdem sehen. Wie wir das auf Werbeprospekten für Berge sehen können. Das ist nicht der Fall, sondern wir haben gesagt, wir wollen versuchen, die Vielfalt, die es in den Bergen auch tatsächlich gibt, die wir sehen, wenn wir beispielsweise auf einer Hütte sind, die wollen wir abbilden. Wir haben dazu einzelne Gruppen, die wir in den Bergen getroffen haben gefragt, ob sie uns n kurzen Text dazu geben würden und mit ihrem Bild irgendwie n Statement setzen wollen würden, würden gleichzeitig auch Jugendgruppen gebeten und Leute aus der JDAV raus gebeten, doch n Statement dazu zu machen und ne Positionierung zu diesem Alfons Waldgemälde zu machen. Wir haben Rückmeldungen aus Freiburg bekommen, wir haben Rückmeldungen aus Berlin und haben denke ich schon ein sehr sehr breites Spektrum jetzt hier an der Wand.
Ella: Ein Bild ist dabei das, wo man sagen kann, das ist ne recht ungewöhnliche Darstellung oder unkonventionelle Darstellung. Kannst du uns sagen, was wollten denn die Jugendleiter*innen damit ausdrücken, was war so die Message hinter dem Bild und inwiefern haben sie das in ihrer Nachstellung verändert?
Max: Genau Nachstellung ist glaube ich schon ein ganz gutes, ganz gutes Stichwort die Jugendleiter*innen der Sektion Freiburg haben sich tatsächlich das Gemälde hergenommen und haben dieses im Gelände nachgestellt, allerdings das aufgeknöpfte Hemd des Skifahrers von 1930 haben sie anders dargestellt, es sind 2 Personen im Vordergrund ein Mann und eine Frau, beide oberkörperfrei, bei der Frau die Brust zensiert, weil in Social Media, wird die männliche Brust nicht zensiert, die weibliche Brust wird zensiert. Also man möchte auch da noch mal irgendwie auf die ja Bestimmungen hinweisen und sie entsprechen ja, also sie sind jetzt ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, sie sind nicht extrem stählern durchtrainiert, wie man das jetzt halt so für dieses Bild von 1930 sagen würde. Sie setzen damit eine Gegenposition und ne sehr deutliche Gegenposition, gerade eben dadurch, dass sie das Gemälde wirklich versucht haben, soweit es geht im Bildaufbau nachzustellen.
Ella: Wenn wir jetzt n paar Schritte weitergehen in der Ausstellung, denn stehen wir inzwischen vor einer Videoinstallation, die tatsächlich aus ganz jüngster Geschichte stammt. Hier geht es um das Thema Vielfalt in der JDAV, was ja auch ein Thema ist, an dem sich so ein Wertewandel über das letzte Jahrhundert sehr stark nachvollziehen lässt. Max kannst du unsere Zuhörer*innen mal in diese Installation mitnehmen. Was ist da zu sehen und was soll denn damit beabsichtigt werden?
Max: Das ist tatsächlich auch. Also das Video ist tatsächlich auch eine Idee, die auf dem gemeinsamen Workshop mit JDAV Vertreter*innen entstanden ist, und zwar die JDAV hat sehr, sehr viele Vielfaltsproklamationen, Papiere etc. veröffentlicht. Sie hat sehr sehr viele Workshops auch dazu gegeben, sie hat ein sehr sehr großes Programm auch dazu und versucht wirklich möglichst vielfältig zu werden. Kann man auch geschichtlich bei ihr sehen, dass sie das nicht erst irgendwie seit den letzten Jahren macht, sondern man kann eigentlich anfangen, schon in den 50er 60er Jahren zu sehen, dass die hat JDAV versucht inklusiver zu sein, dass sie bestimmte Werte, die damals existiert haben, vor allem das heroische Bergsteigen im Alpenverein mehr und mehr hinterfragt hat, kritisiert hat und begonnen hat, eben Jugendliche und deren persönliche Entwicklung in den Fokus zu nehmen. Man kann ab dem 90er und zweitausender Jahren schon sehen, welche große Rolle dieser Vielfaltsgedanke in der JDAV spielt. Es gibt soziokulturelle Expeditionen, bei denen Austausch und Unterstützungsprojekte im bereisten Land genauso ne Rolle spielen wie das Bergsportliche. Das Projekt No Limits hat nächstes Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum, also 2025. Auch wer sich alte Knotenpunktausgaben irgendwie anschaut oder vor 2006 ist es ja JDAV Special wird wahrscheinlich erstaunt sein über das, was bereits vor knapp 20 Jahren gesprochen worden ist und was heute weiterhin aktuell ist. Geschlechtergerechtigkeit wurde beispielsweise 2005 schon in die Erziehungs- und Bildungsziele aufgenommen. Über Gender spricht man in der JDAV bereits seit mehr als anderthalb Jahrzehnten. Lange noch bevor ein Sternchen für Wutausbrüche die Kommentarspalten oder Regierungsparteien sorgte. Gleichzeitig hinterfragt sich die JDAV natürlich sind wir wirklich so vielfältig, wie wir das gerne wären, oder sind wir doch ein ziemlich homogener Haufen. Und genau dafür hat sie bei einem Treffen in Berlin bestimmte Fragen sich herausgesucht und sich auf ne auf einer Treppe den Fragen ja imaginär positioniert. Also Fragen wie welchen Geschlecht würdest du dich zuordnen? Männlich, weiblich, divers. In dem Video wird ziemlich deutlich, dass divers so gut wie gar nicht vorhanden ist. Auch gibt es in deiner Familie irgendwie eine migrantische Biografie, auch da sehen wir eher nicht, klar. Dann fragen Sie sich ja, aus welcher Schicht kommt man? Was ist der Bildungshintergrund, was ist vielleicht auch der finanzielle Aspekt, beispielsweise wenn man fragt, ob die Eltern mit den Kindern damals in die Berge gefahren sind oder nicht, oder ist auch im Ausland Urlaub gemacht haben. Wie viele Bücher hast du in deinem Haushalt oder wie viele hochwertige Outdoor Klamotten hast du? Und da sehen wir eben schon, dass zumindest die Zusammensetzung auf dieser Veranstaltung in Berlin doch sehr homogen war. Was gleichzeitig natürlich auch irgendwie n Auftrag ist weiterzuarbeiten.
Raoul: Das ist die JDAV und vielleicht auch die junge Bergsport Community heute: vielfältig, da den Anspruch auch noch vielfältiger zu sein, wenn man sich die Geschichte der JDAV anschaut, dann gibt es natürlich auch eine Zeit vor 1924, wo jüdisches Leben aus dem Alpenverein ausgeschlossen wurde. Habt ihr in der Ausstellung auch dazu Exponat?
Max: Der ist auch da mit 2 Objekte eigentlich. Wir zeigen in der Ausstellung im Bereich Gemeinschaft natürlich, dass Gemeinschaft auch Ausfluss aus und gehen dabei auf den Antisemitismus im Alpenverein, der einfach schon sehr, sehr früh vorhanden gewesen ist. Der 1924 auch an den Ausschluss einer vorwiegend jüdischen Sektion der Sektion Donauland geführt hat. Das zeigen wir Perspektiven von Jugendlichen gibt es in der Ausstellung auf, gibt es tatsächlich 2. Allerdings, wir würden vom Alter her sagen, es wären Mitglieder der JDAV, es handelt sich allerdings um Jugendliche von 34 und das andere Objekt ist von einer Person, die Ende der 30er Jahre noch rechtzeitig nach England gekommen ist. Also wir zeigen tatsächlich die die Perspektive, die Jugendperspektive eher aus der Sicht von Betroffenen. Wir haben ein Hüttenbuch ausgestellt, in dem ein Junge seinen Namen reingeschrieben hat und der später von irgendeinem Antisemiten mit Jude überkritzelt worden ist. Wir finden es sehr, sehr relevant, dass man auch mal versucht sich in die Perspektive von Betroffenen hineinzuversetzen und einmal sieht, was das eigentlich für die Betroffenen bedeutet haben muss. Gleichzeitig, ja, müssen wir bei DAV und auch bei JDAV gab es damals in dem Sinne ja noch nicht der Begriff viel später, aber es gibt zumindest in den Sektionen Jugendgruppen, natürlich müssen wir da über Antisemitismus und Nationalsozialismus sprechen, auch das bereits sehr, sehr früh Jugendarbeit im Alpenverein, als die aufgekommen ist 1918/19 war extrem nationalistisch geprägt und war auch nationalistisch motiviert, dass sie sich so durchgesetzt hat. Ernst Enzensberger, der immer als Zitat Vater der Jugendarbeit, Zitat Ende genannt wird, die die Vorstellungen, wie ein Jugendlicher zu sein hat, maßgeblich geprägt und hat die auch verschriftlicht. Und darüber, glaube ich, kriegen wir ganz gut mit, wie Jugendliche damals auch gesehen wurden und wie sie auch erzogen wurden, welche Vorstellungen sie vermittelt bekommen haben und diese dann natürlich auch in den meisten Fällen auch angenommen hat. Im Alpenverein war in den 20er Jahren Jugendarbeit extrem von der Erfahrung des Ersten Weltkriegs und der Niederlage Deutschlands geprägt. Für Enzensberger sollten Jugendliche zu männlichen starken heroischen Bergsteigern gezogen werden, gemischte Gruppen zum Beispiel hat er abgelehnt, das Wort weiblich war bei negativ konnotiert und eher ein Schimpfwort, es ging um die Erziehung zur Disziplin, zu Gehorsam, Zähigkeit und dergleichen. Und das sollte eben einem Zitat am Boden liegenden Vaterland Zitat in zugutekommen. Enzenzsberger Perspektiven waren nationalistisch, militaristisch, remoschistisch. Es gibt ne Schrift von ihm, die heißt „Aus Alpina Jugendarbeit, die ist von 1925 lohnt sich kritisch zu lesen. Laura Moser und Sven Ott ist auch aus der JDAV Freiburg haben einen Aufsatz 2022 im Alpenvereinsjahrbuch veröffentlicht, das sehr sehr gut aufzeigen kann, was bei also was Enzensberger und Jugendarbeit irgendwie im Alpenverein damals bedeutet hat. Das muss man da einfach auf dem Schirm haben und natürlich irgendwie nen Nationalsozialismus. Jugendgruppen waren zum Teil HJ Gruppen dann oder Bund deutscher Mädelgruppen also das ist die Jugendarbeit mit dem Nationalsozialismus auch eng einhergegangen, es gab große Überschneidungen und die Überschneidungen gab es aber eigentlich auch schon vor 1933.
Raoul: Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es ja zur Wiedergründung der JDAV und die JDAV war ja schon in einer Kontinuität zu den Ereignissen vor der NS-Zeit. Kann man sagen, dass die JDAV gelernt hat, aus dem Krieg, oder wie ging es dann nach 49 weiter?
Max: Also man kann sie natürlich irgendwie, die die Erziehungs- und Bildungsinhalte nach der Wiedergründung vom Alpenverein und 1950 anschauen. Die erste Jugendsatzung beinhaltet noch das Erziehungsziel ist, also wenn ich es richtig in Erinnerung hab, das Erziehungsziel ist, dass die Jugendlichen auf dem Boden der Vaterlandsliebe und Heimatliebe stehen. Also da ist auf jeden Fall ne Kontinuität noch drin. Gleichzeitig würd ich sagen, die Jugendlichen auch, dazu gibt es Studien, sind im Nationalsozialismus natürlich so großgezogen worden, dass für sie irgendwie der nationale Sozialismus das absolute Ideal ist. Das bricht 45 zusammen, also das ist auch ein Welterklärungsmuster, was für Jugendliche zusammenbricht und wo sehr, sehr unterschiedlich auch damit umgegangen wird, wo sehr unterschiedlich darauf reagiert wird. Ich glaube, was in der JDAV sehr, sehr viel beigetragen hat, dass die JDAV sich in den 60er Jahren eigentlich schon angefangen hat oder in den 50er 60er Jahren schon angefangen hat zu verändern, ist die Aufnahme in den Kreisjugendring und später in den Bundesjugenddemokratiebildung, politische Erziehungsarbeit und sowas wann von Bundesjugendring damals gefordert und hat eben der JDAV auch irgendwie dadurch seinen Platz gefunden. Man fängt Ende der 60er Jahre dann auch an, eine andere Perspektive auf Jugendliche zu gewinnen, das ist der Jugendliche ist nicht mehr, die Jugendlichen sind nicht mit Personen, die man irgendwie formt und zu Bergsteigern macht, sondern die Entwicklung des Jugendlichen an sich steht im Fokus und das Bergsteigen ist n Mittel dazu ne Persönlichkeitsentwicklung bei einem Jugendlichen voranzubringen und nicht das Bergsteigen ist der Zweck, sondern die jugendliche Person ist der Selbstzweck und ich glaube das was da in den 50er 60er 70er Jahren passiert ist, war schon grundlegend dafür, dass es eben heute ein bisschen anders aussieht, als man vielleicht irgendwie im Gesamtverband in den Fünfzigern sehen könnte, weil es sehr viele Kontinuierte.
Ella: 1973, und das passt ja ganz gut rein, in diese Phase wurden ja auch die wurde die erste Version der Grundsätze Erziehungs- und Bildungsziele der JDAV beschlossen, was ja das Papier ist, was so ja ganz grundlegend die Bildungsarbeit, die Jugendarbeit in der JDAV regelt. Das Papier hat sich auch über die Jahrzehnte ein bisschen verändert, inzwischen sind es nur noch die Grundsätze und Bildungsziele. Inwiefern war denn aber dieser Beschluss von 1973 so ein bedeutender Beschluss für die JDAV?
Max: Ja, es gibt vorher schon theoretische Werke, die versuchen, das irgendwie vorzubereiten. Und ja, 73 wird es dann endgültig irgendwie so zusammengefasst. Das, was ich vorher meinte mit die Perspektive ändert sich, liest sich sehr sehr gut aus dieser dreiundsiebziger Fassung heraus. Also die Perspektive, dass das Bergsteigen Mittel ist um Jugendliche bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und zu unterstützen und nicht, dass Jugendliche insofern erzogen worden werden sollen, dass sie Bergsteiger werden, das ist das Bergsteigen, ist nicht mehr der Endzweck, sondern der Endzwecke ist irgendwie die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen, und das ist genau das, was 73 eingeschrieben wird und was so dieser große große Teil gewesen ist.
Raoul: Danke Dir. Wenn man jetzt diese kleinen Anekdoten aus der Ausstellung „Darum Berge“ anschaut, dann sehen wir Alpinismus Geschichte, aber auch Jugendverbands Geschichte, wenn man vor allem aus deinem Blick, aus dem Blick des Alpinen Museums auf die JDAV heute schaut. Was bedeutet, das JDAV zu sein?
Max: Also dieser Bundesjugendversammlung hat mich sehr beeindruckt, weil Personen aus den verschiedensten Ortschaften mit den verschiedensten Hintergründen und auch aus den verschiedensten Altersklassen. Also ich glaub n elfjähriger oder so hat Position bezogen vor 600 Leuten am Mikrofon und hat sich getraut, sich dorthin zu stellen und was zu sagen. Und alle Leute sind aufgestanden und haben geklatscht und haben ihn unterstützt. Also diese Perspektive, die da aufkam, was ich da von der JDAV gesehen hab, das hat mich sehr beeindruckt, inwieweit man offen diskutiert, inwieweit man Sachen voranbringen will, inwieweit man sich für Berge und trotz verschiedener Herangehensweisen und auch Herkünfte einzusetzen. Gleichzeitig war die Positionierung der damaligen Bundesjugendleiter*innen zum Thema JDAV und Alpen 2005 ich glaube, es war 2050 sehr beeindruckend, weil darüber gesprochen worden ist, wie stellt man sich eigentlich das Bergerlebnis 2050 vor, wie wird das stattfinden, wie wird die JDAV 2050 aussehen, wie arbeitet die JDAV untereinander zusammen. Und die Perspektiven, die da aufgemacht worden sind. Wenn man die vergleicht. Also das sind ja Perspektiven und Wünsche an die Zukunft, die aber aus einem heute formuliert werden, wenn man diese Perspektiven und wünsche, die damals formuliert worden sind, vergleicht mit dem was wir historisch irgendwie von der JDAV an Material haben und was wir daraus lesen können ist sehr, sehr beeindruckend, wie offen und wie zielstrebig die JDAV ist. Inwieweit Sie versucht, den Alpenraum zu schützen, die Natur zu schützen, die Kulturlandschaft zu schützen, sich gegen die Klimakrise zu engagieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass, egal welche Vorlieben man in den Bergen jetzt hat, ob man jetzt wandern geht, ob man jetzt wirklich Klettern geht, ob man mit dem Mountainbike unterwegs ist, die JDAV versucht das alles irgendwie zusammen unter einen Hut zu bringen und einfach was gemeinschaftliches zu machen, nicht irgendwie etwas gegeneinander oder etwas wertendes, dass es besser als das oder du hast in den Alpen vielleicht weniger verloren, weil du nicht die Leistung bringst, die jemand anders bringt. Nee, das ist bei der JDAV nicht relevant gewesen und das hat man auf dieser Veranstaltung auch wirklich, hat man gemerkt, dass ist etwas Ernstes.
Ella: Ja, vielen Dank. Das freut uns natürlich sehr, dass du als Historiker so positiv doch auf die JDAV schaust. Und ja, vielen Dank auf jeden Fall auch, dass du dir die Zeit genommen hast für unseren kleinen Spaziergang durchs Museum.
Raoul: Ja danke dir Max, auch von mir. Damit gehen wir aus dem Museum raus und hören uns gleich noch mal wieder.
Ella: Das war unser Spaziergang durchs Alpine Museum. Wir hoffen, ihr habt euch gut mitgenommen gefühlt, auch wenn ihr nicht live dabei wart und die Werke die Ausstellungsstücke nicht so mit uns zusammen anschauen konntet. Wir werden aber auf jeden Fall quasi Fotos von den Dingen, die wir uns angeschaut haben, auf der Website teilen oder auch auf Instagram. Wenn euch also interessiert, wie jetzt zum Beispiel das Gemälde von Walde und die JDAV Nachstellung davon genau aussieht, dann schaut da voll gerne mal vorbei, dann könnt ihr vielleicht noch ein bisschen gezielter auch nachempfinden, worüber wir gesprochen haben. Ja, und jetzt in alter Tradition wollten wir noch mal nachbesprechen Raoul, was nimmst du dir aus dem Gespräch mit Max mit?
Raoul: Ich nehme mir vor allem mit, was JDAV auch im Wandel bedeutet. Also ich glaube, wir haben als Jugendorganisation des Deutschen Alpenvereins irgendwie Höhen und Tiefen hinter uns, und vor allem sind wir auch irgendjemand Spiegelbild der Zeit, in der die Gesellschaft oder die Jugendkultur war. Ich glaube mit Blick auf heute, einfach auch eine vielfältige, wehrhafte Jugendorganisation zu sein, die irgendwie hinter Werten steht, für Verhaltensweisen steht. Ich finde, das sieht man auch sehr in der Dauererstellung. Wie schaust du auf das Gespräch?
Ella: Also so in der Beschäftigung mit der Sache muss ich schon sagen ich finde einen Blick in unsere Geschichte als Jugendverband lohnt sich sehr, gerade auch mit ja den Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft, wenn ich schon gut zu wissen, wo wir als Jugendverband herkommen, welche Werte wir mal vertreten haben und wohin das eben auch geführt hat. Und ich muss sagen, ich bin ganz schön froh, dass ich in der heutigen Zeit in der JDAV leb. Und ja, welche Werte für welche Werte die JDAV heute steht und auch kämpft und ich find es auch, ja ich find es gut wie es heute ist und ich find dafür sollte die JDAV auch weiterkämpfen und weiter für diese Werte einstehen.
Raoul: Ja mal mal schauen was was dieses Jahr noch an Podcastfolgen kommt. Aber wir haben ja dieses Jahr auch 100 Jahre Aufschluss der mehrheitlich jüdischen Sektion im Deutschen Alpenverein, der Sektion Donauland. Und es ist ein Zeitpunkt mehr, daran zu erinnern, dass man irgendwie an Seite der derer steht, die eher schwächer gestellt sind, weil wir standen oft genug eher im politischen Mainstream, historisch, wo es um Ausschluss geht, und ich glaube, jetzt ist es wichtig, genau dafür zu wirken, dass man eben genau nicht auf der Seite steht, derer, die Menschen ausschließen wollen, sondern die viele mitnehmen wollen. Vielleicht noch eine Sache an euch. Wie jedes Mal gilt ihr könnt uns Feedback geben, am besten per E-Mail an podcast.JDAV@alpenverein.de. Und was ist noch zu sagen, Ella?
Ella: Also ich würde auf jeden Fall noch eine herzliche Einladung aussprechen an alle, die jetzt Lust haben, sich weiter mit der Geschichte der JDAV und des DAVs zu beschäftigen, schaut voll gerne mal im Alpinen Museum vorbei, wie gesagt, auf der Praterinsel in München ein Besucht, da lohnt sich immer.
Raoul: Dann Dankeschön fürs Zuhören bis zum nächsten Mal.
Ella: Bis dann Tschüss.